How-To-Besetzen: Tipps und Tricks für Besetzungen
Disclaimer: Der Text ist wurde nicht von uns geschrieben, wir haben ihn auf knack.news gefunden, unter: https://knack.news/7145
How-To-Besetzen: Tipps und Tricks für Besetzungen
Der Text wurde von ein paar Menschen geschrieben, die Besetzungserfahrungen in den letzten Jahren in Leipzig gesammelt haben. Zum Glück haben sich auch vor uns schon Menschen bemüht, schlaue Hinweise zu Besetzungen zu sammeln. Den Text den wir als Vorlage benutzt haben, ist von „Berlin besetzen“. Wir wollen hier also nur zusammentragen, was wir hilfreich finden und stellen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die ersten inhaltlichen Vorbereitungen
Vor der Besetzung macht es Sinn, dass ihr euch untereinander als Gruppe besser kennen lernt. Die wichtigste Frage ist: Warum wollt ihr besetzen? Wollt ihr friedlich oder militant vorgehen? Wollt ihr Forderungen stellen oder Forderungslos bleiben? Wollt ihr auf eine konkrete Problematik aufmerksam machen, für eine Alternative (wie Deutsche Wohnen enteignen oder Mieter*innen-Gewerkschaften) werben oder ein konkretes Projekt, wie ein Soziales Zentrum, ein widerständiges Haus oder eine Flüchtlingsunterkunft erreichen?
Oft kann es Sinn machen bei so vielen Fragen und Meinungsverschiedenheiten mehrere Besetzungsgruppen aufzumachen, die nacheinander besetzen und sich gegenseitig supporten. Anliegen werden dadurch nicht verwässert, auf die Bedürfnisse aller geachtet und der Spaß beim besetzen bleibt erhalten.
Wenn ihr schreibt warum ihr besetzt, solltet ihr euch mit verschiedenen Diskriminierungen wie Klassismus, verkürzter Kapitalismuskritik und Rassismus auseinandersetzen. Es kann dabei helfen, sich diese Themen gegenseitig durch kurze Inputs näherzubringen um Wissenshierarchien abzubauen. Achtet dabei darauf nicht arrogant zu werden und daraus kein Soziologie Seminar zu machen. Linke Theorie muss für alle verständlich bleiben.
Außerdem solltet ihr euch auch mit der Nachbar*innenschaft bekannt machen. Wer lebt im Viertel und wen wollt ihr erreichen? Ihr brauch mindestens 1000 Flyer, wenn ihr in angrenzenden Läden welche auslegen wollt und Briefkästen zuflyern wollt. Schreibt und druckt die Flyer vor der Besetzung. Wenn ihr eine Nachbarschaftsversammlung abhalten wollt, überlegt vorher wie ihr diese aufbaut und wie ihr Menschen einbinden könnt. Oftmals funktioniert dies durch Kaffee & Kuchen und Austausch über Probleme im Kiez und eine mögliche Nutzung des Hauses. Ihr könnt euch dabei auch überlegen ob ihr das Haus für die Versammlung öffnen oder mit der Presse eine kurze Begehung machen wollt. Bedenkt die ganze Zeit: Was für einen Eindruck wollt ihr machen? Soll das Projekt Menschen außerhalb der Szene ansprechen?
Die emotionale Vorbereitung
Besetzungen können emotional sehr stressig sein, vor allem durch die ständige Drohung einer Räumung. Sprecht vorher darüber. Was braucht ihr in Stresssituationen für einen Umgang miteinander? Wie könnt ihr euch bei Situationen unterstützen, die euch Angst machen, wie zum Beispiel bei Kontakt zu den Cops? Zum bewussten Umgang miteinander gehört auch zu verstehen, dass ihr eventuell unterschiedliche Bedürfnisse habt, aufgrund von verschiedenen Diskriminierungserfahrungen. Schwarze und queere Menschen erfahren häufiger Polizeigewalt. Menschen, die einer Lohnarbeit nachgehen, sind oft zeitlich stärker eingeschränkt. Menschen die süchtig sind brauchen Drogen und müssen diese entweder in das Haus mitnehmen oder können nicht hinein. Ihr solltet generell über Drogenkonsum im Haus und davor reden. Menschen mit psychischen Problemen müssen abschätzen ob sie die Belastung im Moment ertragen können. Wichtig ist hierbei vor allen Dingen ehrlich die eigenen Kapazitäten und Grenzen einzuschätzen: Wie oft kann ich da sein, welche Straftaten könnte ich begehen und mit welchen Konsequenzen komme ich notfalls klark? Wir sollten keine Scham mehr davor haben diese Fragen ehrlich zu beantworten.
Eine gute Kommunikation trägt viel zu einer guten Aktion bei. Häufig ist es so, dass während einer Besetzung Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen. Versucht darauf zu achten in allen Situationen einen ähnlichen Redeanteil zu haben und lasst nicht die lautesten oder radikalsten Personen die Entscheidungen treffen. Achtet am besten darauf immer eine moderierende und protokollierende Person zu bestimmen. Versucht nach Möglichkeiten, dass die Person immer wechselt. Achtet drauf, dass Menschen nicht zu laut werden oder zu viel Redeanteil besitzen.
Die Praxis: Häuser finden & Instand setzen
Um zu besetzen braucht es ein leerstehendes Gebäude. Checkt vorher, ob ein leeres Haus nicht doch als Pennplatz für Menschen dient. Legt Gegenstände dafür vor Eingänge oder in eventuell benutzte Bereiche und prüft ob diese verschoben wurden.
In Großstädten werden viele leere Gebäude bewacht. Wenn ihr ein Gebäude gefunden habt, findet heraus, ob dort ab und zu ein Sicherheitsdienst ist und ob Überwachungskameras oder Alarmanlagen existieren. Manchmal sehen Gebäude aber auch besser gesichert aus, als sie es wirklich sind (Kameraattrappen, Sicherheitsdienst kommt nur sehr selten, Alarmanlage springt nicht an etc.). Also nicht sofort abhalten lassen! Brecht ein, geht in die Räume und beobachtet dann in der Umgebung ob priavte Secus oder Bullen kommen. Geht in die Häuser nur vermummt, falls Kameras in den Häusern installiert sind. Verkleidungen als Hipster mit Vorliebe für Lost-Places oder Handwerker-Outfits können hierbei von Vorteil sein. Vergesst nicht eure Kleidung zu wechseln, wenn ihr euch in der Umgebung aufhaltet, falls die Bullen oder Secus euch durch Kameras gesehen haben.
Auch Türen aufbrechen ist eine Hürde, vor allem wenn ihr dabei keine Spuren hinterlassen wollt. Ihr könnt euch Dietrich Sets und Übungsschlösser im Internet kaufen und zur Not tut es ein Brecheisen oder Bolzenschneider. Letztendlich haben wir es geschafft, uns diese Tricks selber anzueignen und glauben, dass ihr das auch hinbekommt!
Für die Planung der Besetzung kann es sinnvoll sein zu wissen, in welchem baulichen Zustand ein Haus ist. Gibt es Strom, Wasser, Toiletten, Fenster oder Heizung? Ist das Dach noch dicht, gibt es Schimmel im Keller? Ist das Treppenhaus begehbar und existiert noch ein Schaltkasten? Wenn das Haus in einem zu schlechten Zustand ist, bringt eine Besetzung auch nichts. Falls nur Strom und Wasser abgestellt wurde, denkt daran Toiletten-Eimer, Licht, Decken, Schlafsäcke usw. mitzunehmen.
Bei der Besetzung
Um Stress abzubauen kann es sinnvoll sein, dass sich nicht ständig Menschen im Haus aufhalten. Es fallen dadurch auch Security Schichten vor der Tür weg. Auch eure Supporter*innen müssen dadurch nicht die ganze Zeit vor dem Haus aufhalten oder dort schlafen. Ihr schont dadurch auch die Menschen die euch unterstützten. 10 verpennte Menschen verhindern eh keine Räumung und Menschen die auf Matratzen vor einem Haus schlafen, vermitteln oftmals doch keinen so einladenden Anblick. Versucht insgesamt Kapazitäten frühzeitig einzusparen und eher die Nachbarschaft und andere Gruppen einzubinden.
Achtet auch darauf genug Schlaf zu bekommen und keine dreifachen Schichten zu machen. Menschen die drüber sind treffen immer falsche Entscheidungen und beherrschen oftmals Gruppen durch ihr Auftreten.
Danach: Anti-Repression
Besetzungen bringen Repression mit sich. Manchmal gehen die Cops sehr brutal bei Räumungen vor, vor allem drinnen, wo es niemand sieht. Polizeigewalt nimmt Menschen emotional mit und kann sogar zu Traumata führen. Emotionale Erste-Hilfe Gruppen für politische Aktionen und deren Broschüren findet ihr unter dem Begriff „Out of Action“. Sprecht auch in eurer Gruppe über Polizeigewalt nach der Räumung.
Ob es sinnvoll ist die Personalien zu verweigern ist eine schwierige Debatte. Generell ergibt es keinen Sinn, wenn ihr wenige Menschen seid. Tagelange U-Haft und Schikane sind die Folge davon. Genauso ist das Flüchten aus Häusern fragwürdig, wenn ihr im Umkreis festgenommen werdet. Oftmals werden euch dann Fingerabdrücke und DNA abgenommen. Für euren weiteren politischen Aktivismus ist das eine extreme Einschränkung. Lasst euch von den Cops nicht verarschen. Eure Daten werden immer gespeichert und benutzt, auch wenn dies juristisch nicht erlaubt wird. Ihr könnt dem aber auch wenigstens in Ansätzen entgegenarbeiten und eure Finger mit Flüssigkleber verkleben und eure Gesichter mit Eddings bemalen. Ein Debattenbeitrag zu Personalien Verweigerung findet ihr weiter unten.
Repression kommt auch in Form von Strafverfahren. Hier macht es Sinn sich vorab über Konsequenzen zu informieren und zu überlegen, wie ein solidarischer Umgang aussehen kann. Bei Hausbesetzungen liegt nur die Straftat des Hausfriedensbruchs vor, wenn ihr keine Gewalt gegen Cops bei der Räumung einsetzt. In einigen Fällen noch Vandalismus. Erfahrungsgemäß kommt es dabei nur zu wenigen Tagessätzen, die oft in Sozialstunden umgewandelt werden können. Uns sind keine Fälle von der Konstruktion einer kriminellen Vereinigung nach 129 bekannt.
Es brauch einen kollektiven Umgang mit Repression, damit niemand alleine gelassen wird. Das heißt, dass die Gruppe verantwortlich ist für den Umgang damit – eine Anwält*in finden, Geld sammeln, die Strategie vor Gericht entscheiden, den Rote Hilfe Antrag stellen. Zum Glück gibt es mit Anarchist Black Cross (ABC), dem Ermittlungsausschuss (EA) und der Roten Hilfe (RH) gleich drei Gruppen die bundesweit arbeiten und Menschen unterstützen in Fragen und mit Geld.
Falls ihr nicht weiter kommt, fragt andere Gruppen, Genoss*innen, eure Familie oder Nachbar*innen um Hilfe – nehmt euer Umfeld in die Verantwortung, viele Menschen entpuppen sich als solidarischer als erwartet. Viel Spaß beim Besetzen!
Weitere Tipps
Zu all diesen Punkten findet ihr Tipps im Besetz-Mal-Reader: https://leipzigbesetzen.noblogs.org/files/2023/08/besetzmalreader.pdf
Zum Thema Häuser verteidigen, gibt es die Broschüre:
https://militanz.blackblogs.org/handbuch-fuer-hausbesetzer_innen/
Mehr zu dem Thema Repression: besetzen.org/antirep
Ein Beitrag zum Thema Personalien Verweigerung in Leipzig: https://knack.news/6796