Rede zur Silver Kundgebung an der JVA Leipzig

Gefängnisse sind (hierzulande) das höchste Mittel des staatlichen Strafens. 

Bestraft werden diejenigen, die sich nicht an Regeln und Gesetze halten, welche von den jeweilig Herrschenden aufgestellt wurden. Regeln und Gesetze dienen zur Durchsetzung der Interessen der Machthabenden, Lobbyist*innen und der Polizei und werden von diesen maßgeblich diktiert.

Der Staat bestimmt die Norm. Er definiert welches Verhalten gut und sittlich ist und welches nicht. Dadurch ist er selbst Garant von “Ordnung und Sittlichkeit”. Was als Gefahr für die gesellschaftlichen Verhältnisse ausgemacht wird, soll bestraft, kontrolliert, isoliert und als abschreckendes Beispiel präsentiert werden. Es geht im Justizsystem und in Gefängnissen weder um Resozialisierung, noch um Wiedergutmachung. Der Staat ist somit einseitig willkürlich, wie mensch an Aufenthaltsbestimmungs-paragraphen und Drogengesetzen sieht. Andererseits ist der Staat sehr rational. Seine Existenz und seine Gesetze dienen dazu die Ausbeutungsverhältnisse aufrecht zu erhalten.

Zur Legitimation von Herrschaft und Knast werden die Gefangenen stigmatisiert. Die Stigmatisierung geht dabei auch über die Haft hinaus. Als Rechtfertigung für all das Einsperren und Strafen, dient die heraufbeschworene Idee einer Bedrohung vor Terroristen und Kriminellen, vor denen wir angeblich geschützt werden sollen.  Das lenkt von den eigentlichen Problemen und ihren Ursachen ab, nämlich, dass diese Gesellschaft auf Herrschaft, Konkurrenz und Ausbeutung beruht. Polizei, Justiz und Knast sind nötig um die sozialen Verhältnisse aufrecht zu erhalten, die wiederum für das Entstehen der meisten “Verbrechen” überhaupt erst verantwortlich sind.  Dabei wird gerne das Bild von gefährlichen Individuen und brutalen Gewalttätern gemalt. Die größten Verbrechen der menschlichen Geschichte aber wurden von Regierungen oder Konzernen verübt und waren dabei meist sogar völlig legal (Sklaverei, Krieg, Genozide…). 

Der größte Teil der Gefängnisinsassen hingegen war nie gewalttätig. In den Kerkern dieser Welt sitzen nicht die gewalttätigsten Menschen, sondern die Ärmsten. So sitzen hierzulande Tausende ein, weil sie ohne zu zahlen den ÖPNV genutzt haben. Die Mehrheit sitzt wegen Eigentumsdelikten wie Ladendiebstahl, Betrug oder sogenannter Beschaffungskriminalität. Der Grund für soziale Probleme wie Sucht und Gewalt resultieren aus widrigen Lebensumständen, biographischer Sozialisation und krisenhaften Lebenssituationen.   Die Haftanstalt löst keines dieser Probleme, im Gegenteil. Sie stellt sicher, dass der Grund für diese Konflikte bestehen bleibt und fördert Gewalt. Das Gefängnis selbst ist einer der gewalttätigsten Orte dieser Welt.

Die kapitalistische Gesellschaft kann nicht die Bedürfnis aller Menschen nach Würde, materieller und sozialer Sicherheit befriedigen. Dies zwingt Menschen dazu, mit den verschiedensten legalen und eben auch „illegalen“ Mitteln miteinander zu konkurrieren. Dass sich eben diese Verhältnisse nicht ändern, dafür braucht der Staat das Einsperren. Es dient dazu die  Ungleichheit und Herrschaft abzusichern.  

Deshalb muss klar sein: eine Kritik an Knast und Strafe kann nur im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen als Ganzes betrachtet und behandelt werden. Dabei ist zu beachten, dass das Gefängnis nur eine von einer Vielzahl von Einrichtungen darstellt, welches dieses System am Laufen halten und dazu dienen Menschen zu erziehen, zu brechen, zu kontrollieren. Dieselbe Logik von Strafe findet sich auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen: in Schulen, psychiatrischen Einrichtungen, Abschiebelagern, Arbeitsstellen usw.   

Das Strafen wirkt dabei schon im Voraus. Als Angst vor staatlicher Gewalt lähmt es all diejenigen, welche die aktuelle Gesellschaft  und ihr materielles und soziales Elend eigentlich nicht akzeptieren mögen. Das Rechtssystem ist nicht neutral. Es ist kein Ausdruck eines allgemeinen Interesse, seine Funktion besteht in nichts anderem, als der Absicherung  der Privilegien der herrschenden Macht.  

Gegen das Gefängnis zu kämpfen, bedeutet daher gegen den Staat und seine Justiz und letztlich gegen eine Form von Gesellschaft zu kämpfen, welche solche Institutionen innehält.

Kriminell ist das System! 

Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen!