Auswertung und Redebeiträge zu der Demonstration am 30.04
Wir haben am 30.04 eine anarchistische bunte Demonstration in Leipzig für den 6-Stunden-Arbeitstag durchgeführt zu der ungefähr 100 Menschen kamen. Wir haben es geschafft in Leipzig das erste Mal seit langer Zeit eine rein anarchistische Demonstration ohne Blackblock zu veranstalten und dies auch noch um den 1. Mai.
Wir haben dafür viel Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld gemacht. Wichtig war uns, endlich auch mal Menschen außerhalb unserer Szene zu erreichen. Wir wollten mehr als nur ein paar Flyer im AZ auslegen oder Demoaufrufe auf Telegram, Indymedia und Instagram zu teilen. Wir haben versucht, Mittel zu finden mit denen wir eine breitere Bevölkerung erreichen. Dafür haben wir in unseren Vierteln plakatiert, Flyer in Läden ausgelegt und auf der Straße verteilt. Die Designes unserer Plakate, Flyer und Transpis waren extra schlicht gehalten, um möglichst viele Menschen anzusprechen. Wir haben versucht neben der anschlussfähigen Forderung auch eine anschlussfähige Mobilisierung auf die Beine zu stellen.
In dem Punkt müssen wir selbstkritisch sagen, dass wir es nicht geschafft haben, Menschen, die nicht aus unserer Szene kommen zu der Demonstration zu mobilisieren. Die eine Hälfte der Menschen mit denen wir in Kontakt kamen reagierte unverständlich auf die Forderung. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass grundlegende Änderungen möglich sind. Die andere Hälfte der Menschen war prinzipiell für unser Anliegen offen aber war durch das Framing, auch auf den Flyern, als “anarchistische Demonstration” abgeschreckt. Wir müssen in den nächsten Jahren wahrscheinlich stärker über unser Framing nachdenken. Rein anarchistischen Demonstrationen, welche zwar bunt sind, aber trotzdem nur die üblichen Szenecodes benutzen, überzeugen niemanden. Es ist wichtig, dass wir Begriffe neu besetzen aber auch nicht Menschen sofort abschrecken.
Ebenfalls hat uns die geringe Teilnahme gezeigt, dass wir mehr über unsere Bündnispolitik nachdenken sollten. Über den Vorwurf der “Spaltung” müssen sich auch Anarchist*innen Gedanken machen. Bunte und friedliche Demonstrationen müssen wahrscheinlich mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen gemeinsam veranstaltet werden. Die Problematik ist nur, dass die DGB, welche traditionell am 1. Mai eine Demonstration veranstaltet, oft nicht mit anderen Akteur*innen zusammenarbeiten will. Trotz alledem müssen wir versuchen, nächstes Jahr gemeinsam mit allen progressiven linken Kräften friedliche und militante Demonstrationen zu planen.
Ein weiterer Punkt ist die Datumsfrage. Wahrscheinlich müssen wir am 1. Mai demonstrieren, da allein aus Gewohnheit viele Menschen an diesem Tag für soziale Verbesserungen auf die Straße gehen. Wir können hier Menschen radikale Änderungsmöglichkeiten aufzeigen, die zwar schon auf die Straße gehen aber noch nichts mit unseren Ideen anfangen können. Genauso gibt es in Hamburg und Berlin die Tradition, revolutionäre Demonstrationen zu veranstalten, zu denen aus Gewohnheit viele Menschen außerhalb unserer Blase kommen, um ihre Wut rauszulassen. Seien wir mal ehrlich, wie viele von den Jugendlichen (auch wir selbst als wir jünger waren) in Berlin haben schon den Demoaufruf für die 18 Uhr Demo gelesen? Wir müssen auch hier in die Offensive gehen und solche Demonstrationen in Leipzig organisieren. Es liegt an uns auch widerständige Momente aller Art zu kreieren.
Trotz aller Selbstkritik; wir haben es geschafft neue anarchistische Politik zu machen. Wir haben Forderungen aufgestellt mit denen Menschen etwas anfangen können. Wir sind raus aus der Routine von verbalradikalen Latschdemos oder inhaltslosen Spontis gekommen. Wir haben gezeigt, dass Anarchismus ganz konkrete Lösungen bereithält, die unser aller Leben verbessern könnten.
Für das nächste Jahr müssen wir klar betonen, dass wir alle in der Verantwortung stehen Initiativen für einen revolutionären und sozialen 1. Mai zu zeigen. Wir dürfen hier den K-Gruppen nicht das Feld überlassen. Die Initiative für Bündnisdemos muss in Zukunft von progressiven Teilen der radikalen Linken kommen, egal ob beim 1. Mai, Transgender Day of Remembrance oder am 8. März. Es ist Zeit, dass wir uns organisieren und nach vorne gehen. Dafür ist es auch wichtig, mehr Möglichkeiten zum Austausch und zur Diskussion zu schaffen. Vielleicht müssen wir nächstes Jahr auch Podiumsdiskussionen vor dem 1. Mai machen. Egal was kommt, so wie es jetzt läuft, darf es nicht weitergehen. Machen wir den nächsten 1. Mai zu einem anarchistischen 1. Mai!
Zu den RedebeiträgenWir haben uns entschlossen unsere Redebeiträge trotzdem zu veröffentlichen. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, einfache Redebeiträge zu halten ohne Szene Buzzwörter. Redebeiträge, die mensch auch versteht, ohne abgeschlossenes Soziologiestudium, die aber trotzdem auch ohne verkürzte Kapitalismuskritik auskommen. Wir haben versucht auch neuere strukturelle Analysen einfach darzustellen und ihnen dadurch auch wieder einen realen Bezug zu geben. Denn was bringt es Demonstrationen für eine “Care-Revolution” zu machen, wenn niemand weiß, was damit gemeint ist und diese völlig ohne Bezug zu den Beschäftigten in der Pflege laufen?
Wir haben uns entschlossen keine englischen Begriffe zu benutzen, da dies akademisch und abgehoben klingt und viele Menschen in (Ost-)Deutschland kein Englisch können. Genauso haben wir aber auch all unsere Redebeiträge ins Englische übersetzt, da auch viele Menschen in Deutschland kein deutsch sprechen.
1. Redebeitrag – Warum wir heute hier sind!
Wir sind heute hier, um für den 6 Stunden Tag zu kämpfen. Wir wollen nicht wieder am 1. Mai an Gewerkschaftsständen Bratwurst essen oder zu irgendwelchen sinnlosen Wahlkampfveranstaltungen gehen. Wir glauben, dass wirkliche, richtige Veränderungen möglich sind. Und darum sind wir heute hier auf der Straße. Wir wollen unser eigenes Leben verändern.
Wir haben durch die Inflation immer weniger Geld, müssen immer länger arbeiten und sehen, wie Konzerne gleichzeitig Milliardengewinne machen. Wir haben keine Lust, unser gesamtes Leben nur zu arbeiten, um über die Runden zu kommen. Wir produzieren immer mehr und könnten alle im Überfluss leben. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir müssen immer länger arbeiten. Überstunden werden mittlerweile in fast jedem Job verlangt und das Rentenalter steigt quasi jedes Jahr.
Wir wollen den 1. Mai daher zurück an seine Wurzeln führen. Der Tag war immer ein Kampftag für unsere Interessen, die Interessen der arbeitenden und lohnabhängigen Bevölkerung. Wir wollen deshalb heute wieder auf die Straße für unsere Interessen gehen. Gerade gab es eine 5,5%ige Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst. Das ist ein Witz bei über 10% Inflation! Wir denken, dass aber selbst eine Lohnerhöhung nicht reicht. Wir opfern viel zu viel Lebenszeit mit sinnloser Lohnarbeit, nur damit unsere Chefs immer mehr Geld bekommen und es dem Standort Deutschland noch besser geht. Wir wollen endlich, dass es uns besser geht. Wir haben keine Lust auf immer mehr Arbeit und immer weniger Geld.
Wir haben für unsere Demonstration übrigens den 30. April gewählt, weil in Sachsen normalerweise am 1. Mai Nazis demonstrieren. Wir wollen das Hinterland nicht im Stich lassen und haben uns entschieden unsere Demo daher einen Tag vorzuverlegen. Und ja Sozialer Protest ist immer antifaschistisch. Der 1. Mai ist unser Tag. Nazis haben auf sozialen Protesten nichts verloren, weder am 1. Mai noch sonst irgendwann.
Wie also weiter. Baut selbständig Strukturen auf, um euch zu vernetzen und euch selbst zu stärken.
Geht in kämpferische Gewerkschaften, wie in die Freie Arbeiter*innen Union, kurz FAU. Oder tragt die Forderung nach dem 6-Stunden Tag in eure Gewerkschaft und in die nächste Tarifverhandlung. Sprecht die Forderung bei der nächsten Mittagspause mit euren Kolleg*innen an. Gründet eigene Gruppen, wenn eure Gewerkschaft nichts machen will. Organisiert selbst Demonstrationen und Aktionen. Lasst uns auch nächstes Jahr zusammen wieder eine Demonstration für den 6 Stunden Tag organisieren.
Wir müssen Druck aufbauen, um unsere Forderungen durchzusetzen. Dafür brauchen wir Massenbewegungen. Organisiert euch daher in Basisgewerkschaften und Bezugsgruppen! Lasst uns eine soziale Bewegung aufbauen!
Für den 6 Stunden Tag!
1. Speech – Why we are here today!
We are here today to fight for the 6 hour day. We don’t want to go back to eating bratwurst at union rally on the first of May or going to some meaningless election demonstrations. We believe that real, effectfull changes are possible. And that’s why we’re here on the streets today. We want to change our own lives.
We have less and less money due to inflation, we have to work longer and longer and we see companies making billions in profits at the same time. We dont want to work our whole live just for existing. We produce more and more and could all live in plenty. But the opposite is the case. We have to work longer and longer. There is overtime in almost every job and the retirement age is rising nearly every year.
That’s why we want to take the first of May back to its roots. The day has always been a day of struggle for our interests, the interests of the working and wage-dependent peoples. Thats why we want to go on the streets today for our interests. Just now there was a 5.5% wage increase in the public sector. That is a joke with over 10% inflation! But we think that even a wage increase is not enough. We sacrifice far too much life time with senseless wage work, just so our bosses make even more money and and so that germany is doing better as a business location. We finally want, that it turns out better for us. We dont have the desire on more and more work and less and less money.By the way, we chose the 30 of April for our demonstration, because in Saxony Nazis usually demonstrate on the first of May. We don’t want to leave the hinterland in the dust and have therefore decided to bring our demonstration forward one day. And yes, social protest is always anti-fascist. First of May is our day. Nazis have no place at social protests, not on first of may or any other day.
So how to continue. Build structures independently to network and strengthen yourselves.
Join militant unions, like the Free Workers Union, FAU for short. Or bring the call for the 6-hour day into your union and into the next collective bargaining. Discuss the call with your workmates at the next lunch break. Form your own groups if your union does not want to do anything. Organize your own demonstrations and actions. Let’s organize a demonstration for the 6 hour day together again next year.
We have to build up pressure to push through our demands. For this we need mass movements. Because of this, organize yourselves in grassroots unions and affinity groups! Let’s build a social movement!
For the 6 hours day!
2. Redebeitrag – Geschichte des Ersten Mai
Wir sind heute hier weil wir für den 6-Stunden-Tag sind. Der Erste Mai war immer ein Kampftag für unsere Interessen. Der Tag ist kein “Tag der Arbeit” oder “Maifeiertag”. Es ist der Kamptag für alle Menschen die täglich arbeiten müssen und von ihrem Lohn abhängig sind.
Die Geschichte des 1. Mai beginnt in den USA. 1886 wurde am 1. Mai zum Generalstreik für den 8-Stunden-Tag aufgerufen. Maßgeblich beteiligt an diesen, damals radikalen Forderungen, waren Anarchist*innen. Es kam zu Massendemonstrationen und Ausschreitungen mit mehreren Toten, insbesondere am 3. Mai 1886. Mehrere Anarchist*innen wurden daraufhin in manipulierten Prozessen hingerichtet. Der 1. Mai wurde daher durch die 2. Internationale 1890 zum traditionellen Kampftag der Arbeiter*innenbewegung für den 8-Stunden-Tag erklärt.Es ging am 1. Mai also immer um Arbeitszeitverkürzung.
Es ist ein Tag an dem immer gestreikt und gekämpft wurde. Früher wurde für das Recht für Wahlen und Versammlungsfreiheit protestiert.
Der Tag wurde in Deutschland das erste Mal l933 ein Feiertag und als “Tag der nationalen Arbeit” bezeichnet. Wer heute also vom “Tag der Arbeit” spricht, deutet nicht nur die Geschichte um, sondern benutzt auch Nazisprache. der 1. Mai war also schon immer ein Kampftag für Arbeitszeitverkürzung. Diese Tradition wollen wir wieder lebendig machen.
Seit dem 1. Mai 1987 in Berlin gibt es die Tradition von linksradikalen revolutionären Demonstrationen. Es gilt mittlerweile als anarchistisches Mantra keine Forderungen mehr aufzustellen. Es wurde eine Ziellosigkeit etabliert, wodurch weder wir selbst, noch die meisten Menschen wissen, wofür wir eigentlich sind. Wir müssen den Menschen wieder einen Grund geben, links zu sein! Also um es nochmal klar zu stellen: Wir halten es auch für wichtig, radikal für unsere Ziele zu kämpfen. Wir verstehen auch die Wut und teilen diese oft. Es ist sinnvoll diese manchmal rauszulassen. Aber genauso muss es auch Demonstrationen mit klaren Forderungen und Standpunkten geben, damit wir etwas verändern und nicht von einer Demo zur nächsten hetzen.
In dem Sinne auch, der Vorwurf, dass es falsch wäre Reformen zu stellen. Nein, wir glauben nicht, dass einzelne Reformen reichen. Wir wollen aber jetzt schon die Verbesserung unseres Leben und emanzipatorische freiheitliche Strukturen entstehen lassen. Wir wollen nicht auf das Paradies nach der Revolution warten, sondern jetzt schon beginnen unsere Utopie umzusetzen. Wir bitten oder betteln auch nicht, sondern kämpfen für unsere Forderungen.
Heutzutage wird, beispielsweise in den USA, auch für Arbeitsbedingungen für Menschen ohne Papiere gekämpft. Wir sollten aus diesen Kämpfen lernen und versuchen bei unseren Forderungen so viele Menschen einzudenken, wie es geht.
Wir wollen also keinen selbstbeweihräuchernden Feiertag wie er in den realsozialistischen Ländern begangen wird und auch keinen sinnlosen Tag des Alkoholkonsums wie heutzutage in Deutschland. Wir wollen den 1. Mai wieder zurück zu seinen Wurzeln führen. Der 1. Mai ist dafür da von einer besseren Welt zu träumen und auch dafür zu kämpfen. Er ist dafür da radikale Forderungen zu stellen und mit dem Bestehenden zu brechen. Lasst uns daher heute gemeinsam für den 6-Stunden-Tag kämpfen!
2. Speech – History of the 1. May
We are here today because we support the 6-hour workday. May 1st has always been a day of struggle for our interests. The day is not a “Labor Day” or “May Day”. It is the day of struggle for all people who have to work daily and depend on their wages.The history of May 1st begins in the United States. In 1886, a general strike was called for May 1st for the 8-hour workday. Anarchists were largely involved in these radical demands. There were mass demonstrations and riots with several deaths, especially on May 3rd, 1886. Several anarchists were subsequently executed in manipulated trials. May 1st was therefore declared the traditional day of struggle for the 8-hour workday by the 2nd International in 1890. So, May 1st has always been about reducing working hours.
It is a day on which strikes and fights have always taken place. In the past, protests were held for the right to vote and freedom of assembly.May 1st became a holiday in Germany for the first time in 1933 and was referred to as “National Labor Day”. So, anyone who speaks of “The nationlal Day of labour” today not only distorts history but also uses Nazi language. may 1st has always the been a day that fights for reducing working hours and We want to revive this tradition.
Since May 1st, 1987, in Berlin, there has been a tradition of left-radical revolutionary demonstrations. It is now considered a leftist mantra to no longer make demands. A purposelessness has been established, which means that neither we nor most people know what we are actually fighting for. We need to give people a reason to be leftists again!
To make it clear: we also believe it is important to fight radically for our goals. We also understand the anger and often share it. Sometimes it is important to let out our anger. But there must also be demonstrations with clear demands and positions so that we can make a change and not rush from one demonstration to the next.We also want to talk about the accusation that it would be wrong to make reforms. No, we do not believe that individual reforms are enough. However, we want to improve our lives now and create emancipatory structures. We do not want to wait for paradise after the revolution but start implementing our utopia now. We do not beg or plead, we fight for our demands.
Nowadays, for example in the USA, there is also a fight for working conditions for undocumented people. We should learn from these struggles and try to include as many people as possible in our demands.So, we do not want a self-congratulatory holiday as celebrated in the existing socialist countries nor a meaningless day of alcohol consumption as it is today in Germany. We want to bring May 1st back to its roots. May 1st is meant to dream of a better world and to fight for it. It is meant to make radical demands! Therefore, Let us fight together for the 6-hour workday today!
3. Redebeitrag – Weniger und gerechtere Reproduktionsarbeit
Wir beginnen den Redebeitrag mit einem Zitat von Françoise Vergès, eine französische Wissenschaftlerin und Aktivistin, die in La Réunion und in Algerien aufgewachsen ist. (Mit dem Zitat hat sie mal eine Rede an der Cooper Union am 19.06.2019 eröffnet.)
“Jeden Tag eröffnen in jeder Stadt der Welt Tausende von Frauen unsichtbar die Stadt. Sie reinigen den Raum, der für das Funktionieren des neoliberalen und finanziellen Kapitalismus notwendig ist. […] ihre Arbeit ist unterbezahlt und gilt als unterqualifiziert. Es sind Women of Colour, meist in ihren 40ern oder 50ern. Eine zweite Gruppe […] geht in Haushalte der Mittelschicht, um zu kochen, zu putzen und sich um Kinder und ältere Menschen zu kümmern. […] Ohne sie, ohne ihre Arbeit, die absolut notwendig ist, aber unsichtbar sein muss, kann der neoliberale und patriarchale Kapitalismus nicht funktionieren.”
Nicht nur die Lohnarbeit ist eng mit dem Patriarchat und Kapitalismus verknüpft, sondern auch die Sorge- und Reproduktionsarbeit. Damit ist die bezahlte und unbezahlte Pflege, Fürsorge und Betreuung von Menschen, aber auch die Ernährung, Erziehung und Bildung gemeint. Mit Reproduktionsarbeit sind also das alltägliche Kochen, Abholen der Kinder von der Schule und die Betreuung bei den Hausaufgaben, Geschirrabwaschen und sonstige Aufgaben im Alltag gemeint. Als Sorgearbeit, auch Care-Arbeit genannt, wird jedes emotionale Gespräch bezeichnet. Jedes Nachfragen, wie es einem geht und jedes offene Ohr bei Problemen. Reproduktions- und Sorgearbeit sind also nicht nur physische Pflege und Dienstleistungen, sondern auch emotionale- und Beziehungs-Arbeit. Kurz: jede Arbeit bei der du dich um andere Menschen kümmerst.
Oft wird Arbeit nur mit Lohnarbeit gleichgesetzt. Sorgearbeit wie Putzen, sich um Kinder kümmern und Kochen wird oft nicht als richtige Arbeit anerkannt. Dabei sind alle sorgenden Tätigkeiten notwendig. Eine Trennung von sinnvoller und sinnloser Arbeit ist nicht möglich. Jede Arbeit ist notwendig, damit die Gesellschaft funktioniert. Gerade deswegen wird Pflege- und Putz-Arbeit ja so oft bezahlt – nur eben nicht genug.
Fragt euch selbst, wer macht in eurem Haushalt die Arbeit? Fangt also im kleinen Rahmen schon bei euch selbst an und reflektiert beispielsweise, wer wie viele Aufgaben übernimmt. Fragt euch, ob die Person das gerne macht, oder ob es einfach immer schon so war. Sprecht mit den Personen darüber, mit denen ihr zusammenlebt und überlegt, wie ihr die Person entlasten könnt.
Wir können mittlerweile von einer Zuspitzung der Sorgearbeits-Krise sprechen. Das bedeutet, dass immer mehr Sorgearbeit von immer weniger Menschen gemacht wird. Beispielsweise steigen die Betreuungsschlüssel in Kitas und Krankenhäusern jedes Jahr. Das übt nicht nur wahnsinnigen Druck auf Sorgearbeitende aus, sondern ist auch katastrophal für Menschen, die auf Pflege angewiesen sind.
Vor allem von Diskriminierung betroffene, marginalisierte Personen leisten Reproduktions- und Sorgearbeit unter prekären Bedingungen. Das heißt oft sind es gerade nicht-weiße Frauen, die Putzkräfte, Köchinnen und Krankenpflegerinnen sein müssen. Alle Jobs und Tätigkeiten, die häufig unsichtbar sind oder in der Gesellschaft schlecht angesehen werden, und darum beschissene Arbeitsbedingungen darin herrschen. Dabei stabilisiert die prekäre Situation von Sorgeleistenden die kapitalistischen und patriarchalen Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft.
Wir sollten aber auch sehen, dass nicht nur diejenigen, welche die Arbeit machen, ausgebeutet und diskriminiert werden, sondern alle Menschen darunter leiden. Wir können sehen, dass sich auch der Einbezug von alten und kranken Menschen in den Arbeitsmarkt historisch wandelt: daran, dass das Rentenalter erhöht wird – wie auch gerade in Frankreich der Fall-, der Zugang zur Erwerbsminderungsrente erschwert und Rentenbezüge gekürzt werden. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Rentner*innen auch im hohen Alter erwerbstätig sein müssen, um ihre Existenz zu sichern.
Lasst uns dieser Entwicklung genauso begegnen wie in Frankreich! Lasst uns endlich für unsere Interessen einstehen! Wenn wir Kinder haben, sind wir alle auf Kitas und Schulen angewiesen. Wenn wir alt sind, haben wir alle nicht genug Geld um in Privatresidenzen gepflegt zu werden. Und wenn wir krank sind, sind wir alle auf die öffentlichen Krankenhäuser angewiesen. Eine Entlastung der Pflegenden Menschen und Verbesserung der Pflege ist also in unserem Interesse! Wir brauchen keine Privatisierung von Kliniken, sondern eine Kollektivierung des Pflegesystems. Wir brauchen endlich eine Selbstverwaltung in Kitas, Krankenhäusern und Altenheimen, damit die Betreuung sich nach den Bedürfnissen der Menschen, die dort arbeiten, verbessern können. Wir brauchen eine bessere gesellschaftliche Verteilung von Care-Arbeit, d.h. einen flächendeckenden Ausbau von Kitas und Schulen und eine umfassendere Kinderbetreuung, die Menschen mit Kindern, insbesondere Alleinerziehenden, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Wir brauchen mehr und gut bezahlte Ausbildungen mit Übernahmegarantie und Bildung, die nichts kostet. Außerdem Arbeitszeitverkürzungen in Sozialen Berufen; generell für alle Menschen, die sich kümmern und pflegen. Das bedeutet konkret also auch für den Sozialen Bereich: mehr Geld und weniger Arbeitszeit!
Es wird nicht reichen, im Sinne einer Symptombekämpfung die Entlohnung von unsichtbarer Haus- und Sorgearbeit bzw. eine bessere Entlohnung von Arbeit im Sozialen Sektor zu fordern, sondern die Wurzeln der Entwertung und Unsichtbarmachung von Reproduktionsarbeit, nämlich Patriarchat und Kapitalismus, müssen als solche erkannt und bekämpft werden. Für eine Care Revolution!
3. Speech – Less and fairer reproductive work!
We start with a quote of Françoise Vergès, a france activist and scientist who grew up in Algeria and La Réunion. (With this quote she opened a speech in the Cooper Union on 19.06.2019.)
„Every day in every city of the world invisible thousand of women are opening the city. They clean the space necessary for neoliberal and financial capitalism to function. […] and their work is underpaid and considered to be underqualified. They are women of color usually in their 40s or 50s. A second group […] goes to middle class homes to cook, clean, and take care of children and the elderly. […] Without them, without their work which is absolutely necessary but has to be invisible neoliberal and patriarchal capitalism will not function”
Not only wage labor is closely linked to patriarchy and capitalism, but also care and reproductive work. This means the paid and unpaid care, welfare and support of people, but also childcare, parenting and education. Reproduction work therefore means everyday cooking, picking up the children from school and helping them with their homework, washing the dishes and other everyday tasks. Care work refers to any emotional conversation. Every time we ask how we are doing and every time we listen to a problem. Reproduction and care work are therefore not only physical care and services, but also emotional and relational work. In short: any work in which you take care of other people.
Often, work is considered to be only wage labor. Care work like cleaning, taking care of children and cooking is often not recognized as proper work. Yet all caring activities are essential. A separation of meaningful and meaningless work is not possible. All work is necessary for society to function. That’s why caring and cleaning work is so often paid – just not enough.
Ask yourselves, who does the work in your household? Begin on a small scale with yourself and reflect, for example, who takes on how many tasks. Ask yourself if the person likes to do it or if it has always been like that. Talk about it with the people you live with and think about how you can relieve the person.
We can now speak of an escalation of the care work crisis. This means that more and more care work is being done by fewer and fewer people. For example, the care ratios in in daycare centers and hospitals are increasing every year. This not only puts insane pressure on care workers, but is also catastrophic for people who depend on care.
Especially marginalized persons affected by discrimination often perform reproductive work/care work under precarious conditions. This means that it is often Black, Indigenous and women of color who have to be cleaners, cooks and nurses. All jobs and activities that are often invisible or are badly respected in society and therefore have shitty working conditions. The precarious situation of caregivers stabilizes the capitalist and patriarchal framework of our society.
But we should also see that not only those who do the work are exploited and discriminated against, but all people suffer from it. We can see that the inclusion of old and sick people in the labor market is also changing historically: by raising the retirement age – as is the case in France right now – by making access to disability pensions more difficult, and by reducing retirement payments. These developments mean that we have to continue to work in old age in order to secure our existence.
Let us confront this development just as they did in France! Let us finally stand up for our interests. If we have children, we will all be dependent on daycare centers and schools. When we grow old, we all don’t have enough money to be cared for in private residences. And when we get sick, we all depend on public hospitals. So relieving the burden on caregivers and improving care is in our best interest!
We do not need privatization of clinics, but collectivization of the care system. We need finally a self-administration in Kitas, hospitals and old people’s homes, so that the care can be improved according to the needs of the people, who work there. We need a better social distribution of care work, meaning a comprehensive expansion of daycare centers and schools and more comprehensive childcare that enables people with children, especially single parents, to participate in social life. We need more and well-paid professional training with a guarantee of employment and education that is for free. In addition, we need to reduce working hours in social jobs; in general, for all people who care for and look after others. That means also for the social sector: more money and less working time!
It will not be enough to demand the payment of invisible domestic and care work or more money for work in the social sector in the sense of fighting the symptoms, but the roots of the devaluation and invisibility of reproductive work, namely patriarchy and capitalism, have to be recognized as such and have to be abolished.
For a care revolution!
4. Redebeitrag – Wir sind die neue Generation!
Dieser Redebeitrag bezieht sich auf Generation Y und Z und deren Eingliederung in die Arbeitswelt. Ich höre immer wieder von älteren Menschen, dass die jüngere Generation keinen Bock mehr hätte zu arbeiten, dass wir faul und unmotiviert seien. Doch das ist nicht der Punkt. Wir wollen arbeiten, aber anders.
Man kann die Lebensrealität der Boomer in ihrer Jugend nicht mit unserer vergleichen, kurz gesagt: Das Arbeitsmodell des 20.Jahrhunderts passt nicht mehr zum Leben im 21.Jahrhundert. Unsere Eltern konnten sich von ihrem Gehalt irgendwann vielleicht mal ein kleines Haus kaufen, für uns unvorstellbar. Die Inflation sinkt zwar gerade, was aber nicht bedeutet, dass die Preise fallen, sondern nur, dass sie weniger stark ansteigen. Mieten werden immer teurer, Arbeiter*innen müssen immer länger arbeiten und haben aufgrund höherer Lebenserhaltungskosten immer weniger Geld zu Verfügung, während Unternehmen mit der Inflation unverhältnismäßig entsprechenden Preisen immer mehr Profite machen.
In Deutschland sind 18-24 Jährige zahlenmäßig diejenigen, die am stärksten von Armut betroffen sind, Azubis bekommen teilweise nicht mal den Mindestlohn bezahlt und psychische Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nehmen auch immer mehr zu.Und hierbei sollte man auch beachten, dass ich diesen Text als priviligierte weiße Person schreibe und sich Bipoc Personen im strukturell rassistischen Deutschland noch ganz anderen Herausforderungen stellen müssen. Nicht zu vergessen ist auch die Klimakrise, die seit 40 Jahren bekannt ist, immer weiter voranschreitet und wogegen die Bundesregierung noch nicht einmal ansatzweise etwas handfestes unternommen hat, während ein Großteil der Bevölkerung sich lieber über die bösen bösen Klimakleber aufregt, als darüber, wie der Zustand unserer Welt aussieht und wie wenig dagegen unternommen wird. Also für welche Zukunft sollen wir überhaupt hart arbeiten? Wir müssen das Grundkonzept von Arbeit überdenken und an unsere Zeit anpassen.
Die jüngere Generation sucht Arbeit mit Sinn und lebt schon lange nicht mehr um zu arbeiten, sondern arbeitet um zu leben. Wir brauchen mehr Anerkennung und Entlastung für eh schon unterbesetzte Jobs, wie z.B. in der Pflege. Denn wer will schon eine Ausbildung anfangen, in der ein Burnout schon vorprogrammiert ist?
Deshalb streben wir den 6h Arbeitstag und allgemein die Arbeit in Kollektiven an. Wir wollen nicht von Chefs ausgebeutet werden und die Karriereleiter erklimmen, sondern faire Löhne und Arbeitszeiten. Für eine gerechtere Welt für uns alle!
4. Speech – We are the new Generation!
This speech is about generation Y and Z and their inclusion in the work place. I often hear older people say the younger generation doesn’t want to work anymore, that we’re lazy and unmotivated. But that’s not the point. We want to work, but different.
You can’t compare the life of boomers in their youth to the life nowadays. The working model of the 20th century doesn’t fit the lifestyle of the 21st century anymore. Our parents could maybe buy themselves a small house, for us unimaginable. The inflation is sinking, but that doesn’t mean the prices are sinking, it only means they’re increasing more slowly. Rent is getting more expensive, workers have to work longer, meanwhile companys are making more and more profit.
In Germany young adults from the age of 18 to 24 are mostly affected by poverty. Also mental illnesses around teenagers and young adults are increasing. It’s also important to mention, that i write this speech as a white privileged person and bipoc people have to face many more challenges in our society.
Not to forget: The climate crisis, which we know about for 40 years. While the government is doing nothing, many people are rather talking about the evil people that glue themselves on the street, than the condition of our planet.So for which future should we work hard for?
We have to rebuild the concept of work and match it to the time nowadays. The younger generation is searching for work that fulfills them and is not living to work, but working to live. We need more recognition for care work, because who wants to start an education, where you probably get a burnout soon?
Because of that we are fighting for the 6 hour work day and generally work in collectives. We don’t wanna be exploited by our bosses, we want fair salary and work time.
For a better world for all of us!