Kommentar zur Debatte um die Letzte Generation

Disclaimer: dies ist nur die Meinung von einigen und keine Gruppenmeinung der Offenen anarchistischen Vernetzung Leipzig Kommentar zur Debatte um die Letzte Generation Die Letzte Generation (LG) polarisiert. Von Politik und Medien wird geschimpft, gedroht und gehetzt. Aktivist*innen von LG werden vermehrt angegriffen, sind maßloser Repression ausgesetzt und es wird eine „Klima-RAF“ herbeifantasiert.  

Aus linksradikalen Kreisen ist wenig zu hören. Jeglichen Protest, den wir nicht initiieren oder beherrschen, stehen wir skeptisch bis ablehnend gegenüber. Wenn wir uns doch mal zu der Thematik äußern, werden die LG Aktivist*innen entweder von oben herab als brave, „Öko-/Bürgerkids“ belächelt (vielleicht mal an die eigene Nase fassen?) oder gleich als Feind ausgemacht. Sie würden Protest emotionalisieren, nur die „armen Arbeiter*innen“ nerven oder ihre Leute verheizen.   

Dazu muss gesagt werden, wenn wir uns die Fakten zur Klimakrise anschauen, ist eine gewisse Emotionalität verständlich und die Arbeiter*innenklasse ist hierzulande leider von sehr vielem genervt. Von linken Demos, genauso wie von Streiks bei der Deutschen Bahn. Gerade die meisten Anarchos, die seit Jahren Bahnsabotage bejubeln um „Menschen aufzuwecken oder zu stören“, sollten ganz still sein oder sich an der Diskussion um Schuld an Kapitalismus und Klimakrise beteiligen und ihre Revolutionskonzepte ohne Sympathien der Massen vorstellen.1 2 3 Aktionen von LG fanden vermehrt auch nicht mehr nur gegen Arbeiter*innen gerichtet statt, sondern ebenso an Flughäfen, dem Bundestag und unzähligen Firmengebäuden. Die LG lernt dazu und fängt an sich stärker auf die Hauptakteure der Klimazerstörung zu fokussieren. Dies zeigt auch: Soziale Protestbewegungen sind lernfähig! Wenn Leute sich nun für Ihre Überzeugungen verhaften lassen, kann man das nicht besonders schlau finden, unseren Respekt für ihre Entschlossenheit und Konsequenz haben sie aber durchaus. Und ihre freie Entscheidung, genau das zu tun, sollten wir ihnen auch nicht absprechen, auch wenn ihre internen Strukturen durchaus zu kritisieren sind.    

Manches an der oben genannten Kritik mag dennoch zutreffen. Trotzdem, wir sollten uns erst einmal freuen, dass es Menschen gibt, die erkannt haben: Einfach nur demonstrieren hilft nichts. Wir brauchen (direkte) Aktionen. Und zwar Aktionen, die weh tun, die Aufmerksamkeit erregen und provozieren. Nichts anderes haben die Spaßguerilla und Kommunikationsguerilla in den 60er und 80er gemacht. Und das ist es, was LG tut. Wir sollten anerkennen, dass:      

a) Sie (andere) Teile der Gesellschaft nicht nur erreicht, sondern auch motiviert haben aktiv zu werden. Es sind außerdem in der LG viel mehr älter Menschen aktiv, im Vergleich zu unserer Szene.    

b) Sie kontinuierliche Aufmerksamkeit auf die Klimakrise in der Öffentlichkeit schaffen.  

C) Sie immer wieder neue Aktionsformen ausprobieren. Während klassischen linken Gruppen oft nichts einfällt als: Demo!    

Was wir aber wahrnehmen, ist entweder Schweigen oder gar Boykottaufrufe und verbalradikales draufhauen. Zum Beispiel gab es, nachdem die LG, in einem hier nicht genannten Ladenprojekt, einen Vortrag gehalten haben, einen „Shitstorm“ selbsternannter radikaler Linker. Der Wunsch war, diese Gruppe bitte in keinster Weise zu unterstützen.   Wir sollten uns nicht einreihen in die Welle der Diffamierungen und Hetze seitens  Medien und Politik. Wir sollten nicht von „Klimaklebern“ sprechen oder uns auf das Gerede von einer „Klima-RAF“ einlassen. Lasst uns stattdessen beim relevanten Thema bleiben: Das Verheizen von Mensch und Umwelt zum Zweck des Profits. Wir sollten unsere Diskussionskultur gründlichst überdenken, in der wir auf dem Gipfel des Berges der Moral stehen und alle hinabstoßen, die auch nur einen Fuß unter uns sind. Wir haben nicht die Weisheit gefressen und nicht die Lösung für alles. Wir sollten daher auch aufhören so zu tun, als ob dies der Fall wäre.  

Natürlich müssen wir LG weiterhin kritisieren. Neben internen Hierarchien und Event-Aktionen (dies trifft auf den größten Teil der linken Gruppen zu) haben wir vor allem inhaltliche Kritik: Sie schaffen es nicht, die Aufmerksamkeit, die sie generieren, mit Inhalt zu füllen. Es bleibt bei einer Appell-Politik und Minimal-Forderungen (die man bei vielen Aktionen garnicht wahrnimmt). Es fehlt an Radikalität und Analysen. Es ist eine Protestbewegung, die keine neuen Strukturen hervorbringt und keine revolutionäre Perspektive anbietet.   Unsere Kritik sollte aber auf eine vernünftige, sachliche und ja, auf solidarische Art und Weise angebracht werden. Wir sollten mit Ihnen diskutieren und blinde Flecken als auch Schwächen ihrer Konzepte aufzeigen. Und dabei sollten wir nicht erwarten, dass sie am Ende genau die gleiche Meinung wie die linke Splittergruppe XY haben.   Mehr noch, wir sind der Meinung, wir könnten uns von ihrem Aktionismus eine Scheibe abschneiden. Und vielleicht sollten wir auch ein Stück auf Sie zugehen. So wichtig (radikale) Inhalte auch sind (und die kommen nicht über Nacht), ohne direkte Aktionen (die provokant sein müssen) bleiben diese bedeutungslos. Es hat immer auch spektakuläre, provokante, störende und kreative Aktionen gebraucht, um Gesellschaft zu verändern und Aufmerksamkeit zu generieren.  

Wie wäre es, wenn linke Gruppen, anstatt passiv zu kritisieren, mal vermehrt eigene Aktionen starten? Sich mit eigenen Aktionen und Inhalten an Aktionstagen beteiligen? Wie wäre es, wenn das nächstes Mal 500 Linksradikale, anstatt auf die nächste Demo zu latschen, ebenfalls anfangen würden, Autobahnen zu blockieren, sich am Ring, am Flughafen oder im Gericht festzukleben?   PS: Einige von uns haben eine starke Kritik an den massefeindlichen Aktionen der Letzten Generation. Trotzdem müssen wir unseren Beziehungen zu neuen sozialen Protestbewegungen, unserer Diskussionskultur und Aktionsformen massiv überdenken.  

1 Kurz.Schluss, unter: https://linksunten.indymedia.org/de/node/40279/  

2 B, Bahnsabotage: Die Festung Europa von innen erschüttern und sabotieren!, unter: https://linksunten.indymedia.org/node/171533/index.html  

3 Nachbetrachtung zu dem Anschlag auf Bahn,Tesla und Krieg, unter: https://de.indymedia.org/node/180652