Einführung in den Syndikalismus

Zur Weiterbildung von uns und unseren Genoss*innen wollen wir in den nächsten Wochen ein paar Einführungstexte veröffentlichen. Anfangen wollen wir mit den drei für den deutschen Kontext relevanten Revolutionsstrategien (in dem Sinne, dass recht viele Menschen sich darauf beziehen). Wir denken dies gibt Menschen mehr Orientierung und Sicherheit, die sich zwar dem anarchistischen Ideal nahe fühlen, aber nicht so richtig wissen, was sie tun oder wie sie sich organisieren sollen. Diese Strategien sind der Syndikalismus, Insurrektionalismus und der Plattformismus/Especifismus. Wir bedienen uns dabei viel den Texten von Anarchismus.de. Dort gibt es gute Sachen zum Sozialen Anarchismus. Sie haben aber eine enorme Leerstelle zu aufständigen oder individualistischen Ideen, die wir hoffentlich hiermit ein wenig füllen können.

Der Text von Rudolf Rocker ist zwar sprachlich schon etwas veraltet aber trotzdem eine ganz nette Zusammenfassung syndikalistischer Positionen. Am besten wäre mal ein zeitgenössischer Text dazu, na @fau_leipzig wie siehts aus? 😉

Ansonsten organisiert euch in eurer Schule, Universität und auf Arbeit! Schafft basisdemokratische Strukturen ohne Chefs in denen Gewinne ausgeschüttet werden. Macht die Vorteile von Selbstverwaltung und Basisdemokratie erfahrbar! Nehmt mit klaren Forderungen nach weniger Arbeit und Selbstverwaltung an Sozialen Protesten teil. Wir haben eine Welt zu gewinnen.

Der Generalstreik ist außerdem immer noch die unblutigste und effektivste Transformationsmethode. Wir brauchen dadurch weder Kaderorganisationen noch hochgerüstete Militärs.
Für die Anarchie!

1. Überblick

Anarchosyndikalist*innen formen meistens eigene Gewerkschaftsföderationen, die unabhängig von den sozialdemokratisch und reformistisch geprägten Gewerkschaften sind.

Die Kampfmittel des Anarchosyndikalismus sind: die Direkte Aktion, der (General-)Streik, die Sabotage und die Solidarität.

Auf dem Weg dorthin strebt der Anarchosyndikalismus die Kollektivierung möglichst vieler Betriebe an. Mit dem Ziel, die Arbeiter*innenselbstverwaltung ohne Chefs in den Betrieben bereits im Jetzt erfahrbar zu machen.

Der Anarchosyndikalismus hat die größten anarchistischen Organisationen der Geschichte hervorgebracht und ist bis heute die Strömung mit den größten Strukturen.

2. Gewerkschaft

Die Gewerkschaften haben eine doppelte Aufgabe:

1. Den Forderungen der Produzenten nach Sicherung und Anhebung des Lebensstandards Geltung zu verschaffen;

2. Die Arbeiter mit dem technischen Management der Produktion und des ökonomischen Lebens allgemein vertraut zu machen und sie darauf vorzubereiten, den sozio-ökonomischen Organismus in ihre Hände zu nehmen und nach sozialistischen Prinzipien zu gestalten.

Die Anarcho-Syndikalisten sind der Meinung, daß die politischen Parteien nicht in der Lage sind, auch nur eine von diesen beiden Aufgaben zu verrichten. Nach ihren Vorstellungen sollen die Gewerkschaften die Speerspitze der Arbeiterbewegung sein, durch tägliche Kämpfe erprobt und von sozialistischem Geist durchdrungen. Denn nur im ökonomischen Bereich sind die Arbeiter in der Lage, ihre volle Macht auszuspielen; ihre Produzentenfunktion ist es, die die gesamte soziale Struktur aufrechterhält und damit die Existenz der Gesellschaft garantiert. Nur als Produzent und Erzeuger gesellschaftlichen Reichtums kann der Arbeiter sich seiner Stärke bewußt werden. In solidarischem Zusammenschluß kann er militante Aktionen, die vom Geist der Freiheit und vom Ideal der sozialen Gerechtigkeit durchdrungen sind, durchführen.

Für die Anarchosyndikalisten sind die Arbeitersyndikate die fruchtbare Keimzelle der zukünftigen Gesellschaft, die elementare Schule des Sozialismus allgemein. Jede neue soziale Struktur schafft für sich Organe im Körper des alten Organismus; ohne diese Voraussetzung ist jede soziale Evolution undenkbar. Für die Anarchosyndikalisten bedeutet sozialistische Erziehung nicht Teilnahme an der politischen Macht des Nationalstaates. Vielmehr ist es die Aufgabe der Anarchosyndikalisten, den Arbeitern die wesentlichen sozialen Probleme klarzumachen. Die Arbeiter müssen auf ihre Rolle als Umgestalter des wirtschaftlichen Lebens vorbereitet werden, damit sie diese Aufgabe bewältigen können. Kein sozialer Körper ist besser für diesen Zweck geeignet als die ökonomische Kampforganisation der Arbeiter; sie gibt den sozialen Aktivitäten ein bestimmtes Ziel und stärkt die Widerstandskraft im unmittelbaren Kampf für die täglichen Bedürfnisse und die Verteidigung der Menschenrechte. Gleichzeitig entwickelt er moralische Stärke, ohne die jegliche soziale Transformation unmöglich ist: lebensnotwendige Solidarität der Betroffenen und moralische Verantwortlichkeit für alle Aktionen.

3. Direkte Aktion

Die Syndikalisten stehen auf dem Boden der direkten Aktion und unterstützen alle Bestrebungen und Kämpfe des Volkes, die mit ihren Zielen – der Abschaffung der Wirtschaftsmonopole und der Gewaltherrschaft des Staates nicht im Widerspruch stehen. Ihre Aufgabe ist es, die Massen geistig zu erziehen und in den wirtschaftlichen Kampforganisation zu vereinigen, um dieselben durch die direkte wirtschaftliche Aktion, die im sozialen Generalstreik ihren höchsten Ausdruck findet, der Befreiung vom Joche der Lohnsklaverei und des modernen Klassenstaates entgegen zu führen.

Die direkte Aktion versucht im Gegensatz zur Repräsentation Probleme direkt zu thematisieren und zu verändern.

4. Transformation

Die Syndikalisten, in klarer Erkenntnis der oben festgestellten Tatsachen, sind prinzipielle Gegner jeder Monopolwirtschaft. Sie erstreben die Vergesellschaftung des Bodens, der Arbeitsinstrumente, der Rohstoffe und aller sozialen Reichtümer; die Reorganisation des gesamten Wirtschaftslebens auf der Basis des freien, d.h. des staatenlosen Kommunismus, der in der Devise: “Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach, seinen Bedürfnissen!” seinen Ausdruck findet.

Ausgehend von der Erkenntnis, daß der Sozialismus letzten Endes eine Kulturfrage ist und als solche nur von unten nach oben durch die schöpferische Tätigkeit des Volkes gelöst werden kann, verwerfen die Syndikalisten jedes Mittel einer sogenannten Verstaatlichung, das nur zur schlimmsten Form der Ausbeutung, zum Staatskapitalismus, nie aber zum Sozialismus führen kann. Die Syndikalisten sind der Überzeugung, daß die Organisation einer sozialistischen Wirtschaftsordnung nicht durch Regierungsbeschlüsse und Dekrete geregelt werden kann, sondern nur durch den Zusammenschluß aller Kopf- und Handarbeiter in jedem besonderen Produktionszweige: durch die Übernahme der Verwaltung jedes einzelnen Betriebes durch die Produzenten selbst und zwar in der Form, daß die einzelnen Gruppen, Betriebe und Produktionszweige selbständige Glieder des allgemeinen Wirtschaftsorganismus sind, die auf Grund gegenseitiger und freier Vereinbarungen die Gesamtproduktion und die allgemeine Verteilung planmäßig gestalten im Interesse der Allgemeinheit.

Die Syndikalisten sind der Meinung, daß politische Parteien, welchem Ideenkreis sie auch angehören, niemals imstande sind, den sozialistischen Aufbau durchführen zu können, sondern daß diese Arbeit nur von den wirtschaftlichen Kampforganisationen der Arbeiter geleistet werden kann. Aus diesem Grunde erblicken sie in der Gewerkschaft keineswegs ein vorübergehendes Produkt der kapitalistischen Gesellschaft, sondern die Keimzelle der zukünftigen sozialistischen Wirtschaftsorganisation. In diesem Sinne erstreben die Syndikalisten schon heute eine Form der Organisation, die sie befähigen soll, ihrer großen historischen Mission und in derselben Zeit dem Kampfe für die täglichen Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsverhältnisse gerecht zu werden.

5. Geschichte

Dem Anarchosyndikalismus gelang es folglich aus dieser weltweiten Stärke in vielen Ländern soziale Errungenschaften für die Arbeiter:innenklasse zu erkämpfen. In allen Ländern kämpften die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften an vorderster Front, besonders dort wo es zu Revolutionen oder Revolutionsversuchen kam. Dem Anarchosyndialismus gelang es so unter anderem in Spanien, wo er weltweit mit der CNT (zwei Millionen Mitglieder) am stärksten vertreten war, als Reaktion auf den faschistischen Putsch von General Franco mittels eines Generalstreiks und Bewaffnung der Massen die soziale Revolution in weiten Teilen des Landes durchzusetzen. Diese soziale Revolution, welche unter schwierigsten Bürgerkriegs Bedingungen von 1936-1939 Bestand hatte, ist gleichzeitig auch der größte Gesellschaftsversuch des Anarchismus gewesen.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war die weltweite anarchosyndikalistische Bewegung extrem geschwächt, in einigen Ländern sogar vollständig zerstört. Bis heute ist es nicht gelungen, an alte Stärke wieder anzuschließen.

Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD), welche die anarchosyndikalistische Gewerkschaft in Deutschland war, wurde 1919, aus einem Zusammenschluss der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften und weiteren kleineren Gewerkschaftsinitiativen gegründet. 1920/21 hatte die FAUD mit 150.000 Mitgliedern und ihrem Zeitungsorgan “Der Syndikalist”, welches wöchentlich mit einer Auflage von bis zu 120.000 Stück erschien, ihren Höhepunkt erreicht. 1933 löste sich die FAUD kurz vor der Machtübernahme der Nazis selbst auf und führte im Untergrund verschiedene Aktivitäten wie Fluchthilfe, Verbreitung von Schriften, dass sammeln von Geldern für Gefangene und Angehörige, so gut es eben ging durch. Nach 1945 kam es zu der Gründung der Ideenorganisation der Föderation Freiheitlicher Sozialisten (FFS) mit ein paar hundert Mitgliedern, welche bis in die 1970er Jahre bestand hatte. Erst 1977 gab es wieder eine Initiative zur Gründung der Freien Arbeiter:innen Union (welche damals Initiative Freie Arbeiter Union (I-FAU) genannt wurde), welche bis heute existiert und sich in einem stetigen Aufbau befindet.