Demo-Bericht zum 05.09

Disclaimer: Wir sind eine Vernetzung und keine Polit-Gruppe. Der Text spiegelt also nur die Meinung einiger Mitglieder*innen der Gruppe wieder.

Zu aller erst, war unsere Beteiligung auf der Demo für uns erfolgreich. Die Faschos wurden blockiert und es kam trotzdem zu einem Sozialprotest mit mehreren tausend Teilnehmer*innen. Einige von uns haben sich an den Anti-Nazi-Blockaden beteiligt, während andere an der linken Demo teilgenommen haben. Wir haben es geschafft auf der Demo einen kleinen anarchistischen Block zu organisieren. Wir mussten unsere Standpunkte dadurch nicht verwässern und die Dominanz der rot-roten Gruppen konnte ein wenig aufgebrochen werden.

Allgemein war die Menge an Menschen auf der Demo überzeugt von der Schlechtheit der aktuellen Politik, es herrschte aber keine allgemeine Ablehnung von Parlamentarismus. Wut war teilweise vorhanden. Viele Demonstrant*innen waren aber eher zurückhaltend und deren Mitlaufen erschien ein wenig zwanghaft. Inhalte wurden auf der Kundgebung in Form von Flyern gut rübergebracht. Fast jede Gruppe hatte eigene Flyer. Teilweise hatte mensch schon das Gefühl in einem Meer aus Papier zu ertrinken, wenigstens haben wir dadurch was zum Heizen 😊

Der anarchistische Block
Auf der Demo und Kundgebung gab es leider zu wenig hörbaren Ausdruck von radikalen Positionen. Wir haben keine Redebeiträge gehalten und es wurden keine Megaphone mitgenommen. Das Mikrophon an der Hauptbühne wurde uns verweigert. Wir müssen an dem Punkt selbstbewusster werden und uns als Gruppe Gehör verschaffen. Egal ob wir nun alle gemeinsam zur Bühne gehen und uns das Mikrophon nehmen oder eigene Soundsysteme schaffen.

Es hat sich eine Unsicherheit mit unserem Auftreten gezeigt, da es der erste explizit anarchistische Block in Leipzig seit langen war. Transpis waren teilweise in typisch autonomen Look mit vermummten Personen. Nichts gegen den praktischen Nutzen von Vermummung. Aber die ästhetische Abfeierung von Militanz spricht nicht alle an. Es ist fraglich, ob auf einem Massenprotest Menschen dadurch abgeholt werden. Andererseits, kamen auch Jugendliche in unsere Nähe aufgrund unseres Auftretens. Der praktische Nutzen des Black-Blocks mit Seitentranspis und Vermummung war, aufgrund nicht vorhandener Cops und keinen Aktionen aus dem Block nicht gegeben. Wir konnten dies aber nicht wissen und aus Angst vor dem Einsickern von „Freien Sachsen“ hatten wir uns dafür vor Ort entschieden. Wir wirkten einerseits wie ein Fremdkörper in der Demo und hatten teilweise nicht das Gefühl mit den anderen Menschen gemeinsam zu demonstrieren. Andererseits haben wir mit dem Auftreten Jugendliche angesprochen. Wahrscheinlich wären ein bunter und ein schwarzer anarchistischer Block langfristig gesehen eine Lösung. Positiv wäre aber auch, wenn wir es schaffen die Demo von innen, ohne Blöcke, zu radikalisieren und Nazis rauszudrängen. Wir bräuchten dafür nur mehr Selbstbewusstsein. Unsere Genoss*innen in Frankreich, Chile und Griechenland zeigen, dass dies möglich ist. Ob wir also das nächste mal wieder einen Black-Block brauchen, wagen wir zu bezweifeln. (PS: Bunte Vermummung gibt es auch😉)

Eine deutlich fühlbare Unsicherheit gab es auch bei dem Rufen von Parolen. Wir kennen oft nur autonome Parolen, die unsere Politik auf ein Grundnenner herunterdrückt, bspw. „Anticapitalista“, „Nationalismus raus aus den Köpfen“, „Siamo tuti antifacisti“ usw. Uns ist es aber auch gelungen ein paar neue Parolen zu etablieren. Die Parole „Was wir wollen, ist nicht schwer, kostenloser Nahverkehr“ wurde gut im Block aufgenommen und auch von anderen Menschen gerufen. Es hat sich gezeigt, dass radikale praktische Forderungen Anschlussfähigkeit erzeugen. Wir halten die Forderung gerade für richtig und wichtig. Richtig, weil sie anarchistische Strukturen im Hier und Jetzt entstehen lässt und (fast) allen Menschen in ihrem alltäglichen Leben hilft. Sie ist auch wichtig, weil sie noch aktuell ist mit dem Ende des 9-Euro Tickets und dadurch sowohl verstehbar als auch machbar erscheint. Menschen haben mit dem 9-Euro Ticket gesehen, dass kostenloser Nahverkehr möglich ist.

Eine weiter Parole, die wir am Anfang stärker hätten betonen sollen, war „Gasumlage stoppen“. Die Parole ist das alles verbindende Element der Proteste und kann Menschen, die sonst nicht auf Demos laut werden empowern. Wir sollten uns aber auch neue radikale Parolen/Forderungen überlegen, die sich auf die aktuelle Heizkostensituation beziehen. Auch Parolen nach „Nicht aufs Parlament vertrauen, Widerstand von unten bauen“ hatten positive Effekte und waren dem Anlass angemessen.

Wichtig wären aber auch weitere radikale und positive Parolen, die Menschen unsere anarchistischen Ziele näherbringen. „Betriebe kollektivieren, Gewinne sozialisieren“, „Mieten abschaffen“ oder ähnliches wären hier denkbar. Wir sollten hier und bei der Ausgabe von Demo-Flyern in Zukunft darauf achten nicht wieder 20 neue Parolen auszuprobieren, sondern es bei 3-5 (pro Flyer) zu lassen. Kein Mensch merkt sich die Sprüche, was auch der Grund ist warum immer die Gleichen 5 einfachen Parolen gerufen werden.

Mehr Handarbeit – Zum Thema Antifaschismus
Wir müssen uns hier entschuldigen, da wir oft nicht schnell und entschlossen genug reagiert haben. Die Lage auf der Kundgebung war denkbar schlecht, da die Freien Sachen zu uns konnten und die Polizei immer wieder in den Protest kam, wenn wir versucht haben, diese abzudrängen. Wir müssen hier geschlossener agieren. Wir müssen an den Rändern Genoss*innen haben, die die Polizei verlangsamen und in der Kundgebung brauch es mehr engagierte Antifaschist*innen, die Faschos rausdrängen. Wichtig wäre vor allen Dingen, dass Menschen immer dazu kommen, wenn es Stress gibt. Lasst eure Freund*innen nicht alleine, wenn diese in Konfliktsituationen sind! Situationen werden durch das Hinzukommen von mehr Menschen dynamischer und unübersichtlicher, was die eigenen Handlungsspielräume erhöht. Ihr stellt, wenn ihr wütend, laut und beweglich seid eine gute Schutzmasse. Wir brauchen auch mehr Selbstbewusstsein und müssen laut rufen „Hier sind Nazis“ damit umstehende aufmerksam werden. Menschen müssen dann auch kommen, wenn das gerufen wird. Dadurch müssten wir nicht erst minutenlang alle Menschen um uns herum fragen, ob sie sich vorstellen könnten „gleich mal mitzukommen“. Also seid immer laut und stellt euch in den Weg, wenn Cops oder Nazis in den Protest kommen. So werden Übergriffe und Festnahmen verhindert.

Weitere Aktionen
Wir denken, dass in Deutschland die Menschen erstmal eine gewisse Zeit brauchen, um wütend zu werden. Wir sollten die Menschen nicht gleich abschrecken durch vorschnelle Aktionen. Wir sollten mit den Menschen ins Gespräch kommen, eigene radikale Positionen einbringen und ab gewissen Momenten eine Radikalisierung starten mit praktischem Widerstand. Überlegt euch für die nächsten Wochen also eigene Aktionsformen. Egal ob, unangemeldete Demos, Rathaus- oder Immobilienfirmen-Besetzungen, Streiks, kollektives Schwarzfahren oder gemeinsames Heizkostenzettel verbrennen, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Für viele Aktionen brauchen wir Bezugsgruppen, Nachbarschaftsvernetzungen und Betriebsgruppen. Fangt an euch und andere zu organisieren!

Wir werden die nächsten Male wieder einen anarchistischen Block stellen.
Seid kreativ mit eigenen Aktionen, Transpis, Flyern und Parolen.
Kommt mit uns also am nächsten Wochen wieder auf die Straße!
Lasst uns einen heißen Herbst starten!