Redebeitrag für Tag X Soli- Demo Lützerath 14.01.23 (Leipzig)

Drei gewaltige Kohlegruben ziehen sich, wie klaffende Wunden, durch die rheinische Landschaft. Sie sind ein Mahnmal des kapitalistischen Irrsinns. Die Auswirkungen dieses Wirtschaftssystems sind bekannt: Es wird unser aller Lebensraum zerstört, aktuell vor allem im globalen Süden, um weiterhin ein menschenfeindliches System aufrecht zu halten, das keine Antworten auf die Probleme der Zeit zu bieten hat.

Die Klimakatastrophe ist schon längst da, auch wenn wir das 1,5 Grad Ziel einhalten würden. Bis 2100 werden mehrere Millionen Menschen ihre Heimat verlieren. Aus Angst vor den hungrigen Mündern der Vertriebenen setzt der Staat schon jetzt auf Abschottung, brutale Gewalt und immer mehr Überwachung. Wir sind schon lange in der Dystopie angelangt. Die Freiheit steht mit dem Rücken zur Wand, während Staaten und ihre Politiker*innen auf allen Erdteilen aufrüsten; dazu bereit, die Jugend im Krieg für Land, Rohstoffe, Wasser, und Nahrungsmittel zu verheizen. Lützerath, die anderen Waldbesetzungen und ZADs sind ein Gegenentwurf zu Zerstörung, Krieg und Tod. Wir wollen Leben! Wir wollen nicht dahinsiechen im alltäglichen Trott und der Ohnmacht und nichts gegen all dies machen können.Wir träumen davon, uns unsere eigenen Städte, Dörfer und Freiräume aus den Trümmern und dem Müll der einstigen Gesellschaft zu erbauen.Wo vor zwei Jahren ein totes Dorf kurz vor der endgültigen Vernichtung steht, ist jetzt Leben, Gemeinschaft und Freiheit eingezogen. Ein Wunder der Anarchie. Wir schaffen uns die Zeitenwende selbst, denn wir haben ihn gefühlt, den Wind der Freiheit, den Wind der Veränderung. 

Doch es gibt auch viele, die diese Veränderung mit allen Mitteln verhindern wollen. Die Regierung von NRW geht seit 2012 mit massiven Polizeieinsätzen gegen die Besetzungen im rheinischen Revier vor. Die Politiker*innen dieser Regierungen appellieren gerne an ihre rheinische Heimat und wie wichtig sie ihnen doch sei. Gleichzeitig zerstören sie eine 10.000 Jahre alte Kulturlandschaft, einfach um Steine ​​zu verheizen. Sie sprechen von billiger Energie und notwendigen Maßnahmen, während die Energiekonzerne durch die steigenden Energiepreise riesige Gewinne einfahren. Und trotz alle dem bekommt RWE noch milliardenschwere Abfindungen dafür, dass sie jetzt weniger kaputtmachen als eigentlich geplant. Aber auch die Gewerkschaften, die sich so gerne einen sozialen Anstrich geben, sind fest an der Seite von RWE und ihren gut bezahlten Fachkräften. Die Ausgebeuteten in den Subunternehmen und in den Securityfirmen sind ihnen egal. Die eigenen Nachbar*innen, die ihre Häuser und ihre lieb gewonnene Heimat nicht verlassen wollen, sind Ihnen ebenfalls gleich. Sollen sie doch in die seelenlosen Neubausiedlungen ziehen, die ihnen RWE gebaut hat.Aktivist*innen werden bespuckt, angepöbelt und gerne auch angefahren. Nazis aus der Umgebung machen nächtliche Überfälle Viele von ihnen sind mit den Securitys befreundet, die von RWE eingesetzt werden. Die Firma “Mund”, die RWE für ihren Werkschutz beauftragt hat, ist für die stramme rechte Gesinnung ihres leitenden Mitarbeiters und für deren hohe Gewaltbereitschaft bekannt. Trotz alledem haben es die Besetzer*innen, die Bürger*inneninitiativen und viele Unterstützer*innen geschafft, RWE ganz schön ins Schwitzen zu bringen. Der Hambi wird nicht fallen, Hambach wird verkleinert und Garzweiler jetzt auch. Doch uns reichen diese falschen Geschenke und Zugeständnisse keinesfalls. Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei. Was nützen uns ihre Versprechen, wenn sie diese doch nicht halten werden? Der Kapitalismus kennt nur Wachstum. Doch unbegrenztes Wachstum, bei begrenzten Ressourcen führt uns offensichtlich in eine ökologische Katastrophe. Wir haben keine andere Wahl, als uns vom kapitalistischen Wachstumskult loszusagen und neue Wege zu gehen: Hin zu einer Welt frei von Ausbeutung und Unterdrückung.

Oft wird gefragt, was sollen wir tun? Viele Menschen haben sich das auch schon gefragt und in den letzten Jahren sind in ganz Europa Besetzungen aufgetaucht, die die Verhältnisse stören, in Frage stellen und aktiv angreifen. Gleichzeitig arbeiten die Besetzer*innen an einem möglichst herrschaftsfreien Zusammenleben und erproben Bau- und Handwerkstechniken, um unzuverlässige und umweltschädliche Technologien zu vermeiden. Diese Orte werden meistens ZADs genannt, das ist eine Abkürzung für “zone à défendre” und bedeutet so viel wie “zu verteidigende Zone”. Ihrem Namen haben viele dieser Zonen alle Ehre gemacht. Viele Tausende haben sich darin beteiligt und riesige Polizeieinsätze verursacht. Viele Projekte wurden gestoppt, doch der Kampf geht weiter. Es gibt noch viel zu tun. Deshalb können wir keine hohlen Lippenbekenntnisse in Richtung “mehr Klimaschutz” gebrauchen.Solidarität ist schön und gut, aber das heißt auch solidarisch zu handeln. Es bringt uns nicht viel, wenn Leute nur ein Zeichen setzen wollen. Wir müssen versuchen uns aus der kapitalistischen Gesellschaft loszulösen und unsere eigenen informellen Strukturen zu schaffen. Ein jeder Mensch kann sich dabei beteiligen. Ob bei Nachbar*inneninitiative, Haus und Hofprojekt oder Waldbesetzung, sind es ja schließlich alles Menschen, die sich zusammenschließen um die Welt gemeinsam zu ändern. Dabei kann sich jede*r beteiligen und neue Wege für sich und sein Umfeld zu finden. Niemand ist gleich und auf den Barrikaden zu stehen ist verständlicherweise nicht für alle möglich. Doch ist das gemeinsame Leben und unsere Autonomie sehr hilfreich für alle die sich der Macht des Staates entziehen wollen. Wir werden somit unabhängiger und sind immer weniger auf Geld und Industrieprodukte angewiesen. 

Zu Ende zählen wir euch ein paar Vorschläge auf wie ihr euch beteiligen könnt, ohne direkt nach Lützerath zu fahren, aber bedenkt, dass eurer Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Was ihr immer machen könnt ist Spendengelder zu sammeln, da viel Geld für die Bezahlungvon Anwält*innen, Klettermaterial, Healthcare, etc. benötigt wird. Wenn ihr wenig Geld habt, könnt ihr Care-Pakete packen und in die Besetzungen schicken. Kontaktiert die Besetzung, dann können sie euch eine Postadresse schicken oder ihr bringt die Pakete selbst vorbei. Ihr könnt euch auch mit anderen solidarischen Menschen zusammenschließen und regelmäßig die Besetzer*innen mit euren kreativen Ideen unterstützen. Es ist auch eine gute Idee in Räumen, die ihr kennt, ein Filmscreening zu veranstalten, z.B. “Hoch- und Tiefbau Hambacher Forst”, “Die Rote Linie” oder einen anderen Film über Klimagerechtigkeit. Ihr könnt auch Solikneipen, Kuchenverkäufe oder Küchen für Alle organisieren und die Spenden “Lützerath lebt” schicken oder euren lokalen Aktivisti aus der Nachbarschat geben. Es gibt auch eine Wunschliste auf luetzerathlebt.info, die alles beinhaltet, was man in einer Besetzung braucht. Was auch immer ihr macht, gebt auf euch selbst und eure Mitmenschen acht und bürdet euch nicht zu viel auf. In diesem Sinne: No Border, No Nation, No Coalpowerstation!